Montag, 9. Dezember 2013

Shoot Out!



Shoot Out in Milestone Town

Bis hierher war er gekommen, immer auf der Spur des Outlaw, der vor vielen Jahren die Ranch seiner Eltern überfallen und nur Tote hinterlassen hatte. Nur er war mit dem Leben davongekommen, da er sich zur Zeit des Überfalls auf einer Weide befunden hatte.
   Die kleine Ansiedlung, auf dem Schild vor der Mainstreet stand: Milestone Town, 160 Einwohner, am Sonntag 400, machte einen verlassenen Eindruck, nur das Schild über dem Büro des Sheriffs schaukelte mit einem nervenzerfetzenden Quietschen über der halbzerfallenden Veranda. Aus der Schwingtür des daneben befindlichen Saloons klang das kratzende Klimpern eines Klaviers.
   Er richtete sich im Sattel auf und schaute sich um. Nach dem Tod seiner Eltern hatte er die Ranch seiner Eltern verkauft und war in die Stadt gezogen. Dort hatte er sich den US-Marshalls angeschlossen und heute war er einer von ihnen, großgewachsen und kräftig, dennoch beweglich wie eine Katze und einer der schnellsten Schützen im Staate Texas. 

   Er zügelte sein Pferd, sprang mit einer geschmeidigen Bewegung aus dem Sattel und band sein Pferd vor dem mit brackigem Wasser gefüllten Trog an. Langsam stieg er die Stufen zur Schwingtür des Saloons empor. Neben dem Eingang saß auf der Veranda in einem Schaukelstuhl ein alter Mann. Den breitrandigen Hut hatte er über sein Gesicht gezogen und lange weiße Haare lugten darunter hervor. Gerade wollte Tom die Saloontür aufstoßen, als er eine tiefe Stimme vernahm, die ihm irgendwie vertraut schien: „Sei vorsichtig, er ist da!“ Er fuhr herum, aber der alte Mann, den Hut noch immer auf dem Gesicht, rührte sich nicht.

   Er drückte die Tür auf und trat ein. Dort saß er, das Ziel seiner Rache, ganz in Schwarz gekleidet, wandte ihm den Rücken zu und nippte an seinem Whisky. Tom schlug seinen Staubmantel nach hinten und lockerte seine Colts. Der Mann an seinem Tisch drehte sich ganz langsam um und sah ihn aus seinen dunklen, unergründlich scheinenden Augen an. „Sollten wir uns kennen? Was willst du von mir und wer bist du?“ Tom stieß hervor: „Du hast meine Eltern auf dem Gewissen und ich bin hier, um dir zu geben, was du dafür verdienst, den Tod!“

   Sein Gegenüber lächelte ihn böse an und erhob sich mit einer geschmeidigen Bewegung. „Wenn du willst, dann tragen wir es jetzt aus!“ In seinen schwarzen Augen glimmte urplötzlich ein höllisch rotes Licht auf, welches Tom eine Gänsehaut über den Rücken trieb. Wer stand ihm da gegenüber? Sie traten hinaus auf die Mainstreet. Die Sonne war hinter dichten schwarzen Wolken verschwunden und ein kalter Wind trieb abgebrochene Zweige durch den Staub.
Tom wandte sich dem Gegner zu und sagte mit gepresster Stimme: „Nun lass es uns zu Ende bringen.“ Er lockerte sich und wie der Blitz schossen seine Hände zu seinen Colts hinab. Er wollte gerade schießen, als er von einer unbekannten Kraft zur Seite gestoßen wurde und die Schüsse seines Gegenübers gingen fehl. Er zog durch und traf. Der schwarze Mann wurde in der Brust getroffen, herumgerissen und fiel zu Boden. Wer hatte ihm das Leben gerettet? Der alte Mann auf der Veranda hatte seinen Hut ins Genick geschoben und sah ihn an. Tom glaubte, seinen Vater zu erblicken und rannte auf ihn zu, jedoch der Alte verschwand spurlos aus seinem Schaukelstuhl.

   Hatte ihn sein Vater gewarnt und letztendlich durch einen Stoss sein Leben gerettet? Er wusste es nicht. Unter dem im Staub liegenden Mann öffnete sich plötzlich ein roter Spalt, Flammen schlugen daraus empor und die Gestalt war urplötzlich verschwunden. Das Böse war fort.

   Alles war wie vorher. Die Sonne schien wieder und der kalte Wind war eingeschlafen. Die ersten Bewohner des kleinen Ortes tauchten auf, umringten ihn und er hörte die Worte: „Danke, Fremder, dass du das Böse aus unserem Ort vertrieben hast.
  



© Rolf Glöckner

Sonntag, 27. Oktober 2013

Schwarze Reiter



Schwarzer Reiter

Er horchte. Es war ihm, als würde das ferne Geläute einer Triangel, mit denen der Koch des Saloon die Goldgräber zum Abendessen rief, hören und setzte sich auf. Mit einem harten Geräusch stieß er an einen Stein, der über ihm lag und ihn von der Außenwelt fast hermetisch abschloss. Schon wieder nicht bedacht! Aber weh getan hatte es sonderbarerweise nicht. Langsam bewegte er mit einem leisen Klappern seinen rechten Arm und versuchte, den flachen Stein ein wenig beiseite zu schieben. Oh, wie schwer! Oder wurde er mit der Zeit nur immer schwächer? Wann würde es nicht mehr gelingen, seinem Auftrag, den er so sehr ernst nahm, nachzukommen? Und wie war er hier unter diesen Stein gekommen?

Er dachte über den Beginn der Geschichte, die ihn hierhergeführt hatte, nach. Damals, als der Goldrausch das Land überzog und eine große Anzahl von Goldgräbern, Glücksrittern, aber auch Banditen und ähnliches Gesindel über die Great Plains nach Kalifornien gespült hatte. Auch er hatte sich, berüchtigt als ein Revolverheld und Bandit, der in einigen Städten steckbrieflich gesucht wurde, auf den Weg gemacht, um den Anteil des neuen Reichtums, möglichst ohne Arbeit, in seinen Besitz zu bringen.

Dass es dabei nicht immer ehrlich zugehen würde, lag an seiner Art und an seinem Status als ein bekannter Outlaw und Killer. In einer der vielen Goldgräbersiedlungen, deren Häuser roh aus Brettern zusammengezimmert schienen, ließ er sich nieder, grub selbst aber nicht nach Gold, sondern zog den schwer arbeitenden Goldgräbern und Minenarbeitern im einzigen Saloon des Ortes beim Pokerspiel das Gold aus der Tasche. Er war keiner Schießerei und auch keiner Schlägerei abgeneigt und so genoss er schon bald einen, wenn auch zweifelhaften Ruf eines Mannes, dem man besser aus dem Weg gehen sollte.

Bis das Gerücht aufkam, dass es hier in der Gegend an einigen Stellen nicht mit rechten Dingen zugehen würde. Man flüsterte von schwarzen Reitern, sogar über Gespenster, die den Tod bringen sollten, wurde unter den Goldgräbern und Arbeitern zu vorgerückter Stunde im Saloon gemunkelt.
Er ging gerade hinüber in das Etablissement, als ein Reiter, schweißgebadet und dabei auf sein Pferd einschlagend, in das Dörfchen preschte und immer wieder schrie: „sie kommen, sie kommen!“ Dann fiel er vom Pferd, zuckte noch einige Male und bewegte sich dann nicht mehr. Tot!

Das Geräusch von sich schnell bewegenden Pferdehufen wurde lauter und dann überrannten sie die Mainstreet mit ihren pechschwarzen Pferden, schwarze, zerfetzte Staubmäntel wehten im Wind, die Hüte waren weit in die Stirn gezogen, Gewehre auf dem Rücken, einen doppelten Pistolengurt umgeschnallt, so jagten sie dahin. Ihre Augen und auch die der Pferde leuchteten rot und es kam ihm sehr unwirklich vor. Die Mainstreet war plötzlich wie ausgestorben, nur er stand noch vor dem Saloon, tastete schon einmal nach seinem Colt und hielt sein Gewehr fester. Nun waren sie heran. Die schwarzen Staubmäntel, schon in Fetzten, um flatterten die grausigen Gestalten, die vor der untergehenden Sonne eher wie Scherenschnitte wirkten.

Die staubige Straße war urplötzlich menschenleer, selbst der Schmied, dessen oftmals fröhliches Hämmern tagsüber immer wieder zu hören war, hatte abrupt aufgehört und war verschwunden. Nur aus der Esse kräuselte sich noch leichter Rauch.
Er riss sein Gewehr hoch und schoss auf die heranstürmenden Reiter! Keine Wirkung!
Er repetierte und schoss erneut, bis das Magazin der Winchester leer war. Nun griff er hastig zu seinem Colt, zog ihn aus dem Holster und feuerte ihn leer, aber es geschah nichts! Keine Wirkung war zu erkennen, obwohl er sich sicher war, getroffen zu haben.

Und dann war der Vorderste der geisterhaft aussehenden Reiter bei ihm und ritt einfach durch ihn hindurch! Er spürte ein Ziehen in seiner Brust, griff sich ans Herz, schnappte nach Luft und stürzte, sich um seine eigene Achse drehend, zu Boden. Hilfesuchend riss er seine Arme hoch, aber niemand der Bewohner dieser Goldgräbersiedlung traute sich aus den Häusern, in welche sie sich geflüchtet hatten. Er starb und fiel in den Staub der Straße!

Als der Sturm der wilden Reiterschar verklungen war, wagten sich die ersten Bewohner auf die Mainstreet und dort fanden sie den Toten. Sein Gesicht war vom erlittenen Schrecken verzerrt, seine Hand um krallte noch immer seinen Colt und auch die Winchester, die er, als er nach seinem Revolver griff, zu Boden geworfen hatte, lag neben ihm im Staub.

Der Totengräber, ein hagerer Geselle mit einem eingefallenen Gesicht, welches von einer riesigen Hakennase gekrönt wurde, nahm sich kurzerhand des Leichnams an, legte ihn in einen roh zusammengezimmerten Sarg und so brachte man ihn nach Boot Hill, dem Stiefelhügel, der schon eine Anzahl von Schicksalen beherbergte. Ein Loch, passend für den Bretterverschlag, war schnell ausgehoben, der Sarg darin versenkt, nachlässig etwas Erde darüber geworfen, ein schiefes Holzkreuz in die Erde getrieben, auf denen man sein Initialen und den Todestag eingeschnitzt hatte und nun wurde noch ein flacher Feldstein auf das Grab gewälzt. Die wenigen Goldgräber, die seinen letzten Weg begleitet hatten, trollten sich zufrieden. Nun würde er ihnen das sauer erworbene Gold nicht mehr streitig machen können.

Endlich gelang es ihm, den Stein beiseite zu schieben. Er richtete sich auf und schaute hinaus in die aufziehende Dämmerung. Der kalte, von der Halbwüste einfallende Wind pfiff durch seine Augenhöhlen, die rot aufleuchteten und ließ den schwarzen Staubmantel, schon ziemlich zerfetzt, flattern, aber er spürte davon nichts. Er griff nach seiner Waffe und gurtete sie um. Ärgerlich nur: So richtig halten wollte das seit einiger Zeit nicht mehr. Er hatte wohl gehörig an Gewicht verloren. Neben seinem Grab stand schon ein riesiges schwarzes Pferd, ihn für seinen täglichen Ausritt erwartend und überall war Bewegung an den Grabhügeln. An vielen Stellen stiegen schrecklich aussehende Gestalten, rotäugig glotzend, aus den Gräbern, gingen klappernd zu ihren Pferden und stiegen auf. Er tat es ihnen gleich. Endlich konnten sie gemeinsam wieder durch die kleinen Orte reiten und dort Angst und Schrecken verbreiten und er war dabei!



Wie jeden Tag, wie jede Nacht!

© Rolf Glöckner